Immunevasion oder Immun-Ausweich-Strategien

Doch durch verschiedenste Faktoren schaffen es die Krebszellen irgendwann dieses Gleichgewicht auszuhebeln. Die Krebszellen entwickeln sogenannte Flucht- (Escape) oder Ausweich-Strategien, diese werden im englischen Immunevasion genannt = Stadium 3 Tumor-Immun-Ausweichstrategien (siehe Abbildung zur Immunüberwachung).

Tumor-Evolution (Anpassung)

Bitte bedenkt, dass die Krebszellen kein Gehirn haben wie wir Menschen. Sie entscheiden sich nicht aktiv dazu das Immunsystem zu stören. Es ist eher eine Folge der Mutationen in der Krebszelle. Manche neu erworbenen Mutationen führen dazu, dass Krebszellen zufällig einige dieser weiter unten beschriebener Errungenschaften aufweisen. Erweisen sich diese Errungenschaften als vorteilhaft für das Überleben des Tumors im Kampf gegen das Immunsystem, dann überlebt genau diese Tumorzelle. Und diese kann sich dann ungestört vermehren. Dies ist ganz einfache darwinistische Selection; nach dem Prinzip  „survival of the fittest”, also dem Überleben derer, die am besten an die Umweltbedingungen angepasst sind.  Die Tumorzell-Varianten, die am besten angepassten sind im “Struggle for life” (Kampf ums Überleben), dürfen dann ihre Gene an die nächste Zell-Generation weitergeben. Krebszellen handeln also nicht böswillig, sie sind nur Meister der Evolution und finden meiste gute Wege sich an die schwierigen Umweltbedingungen anzupassen.

 Tumor-Immun-Ausweichstrategien:

Zu nennen wären hier zum Beispiel:

Extrem schnelles Tumor-Wachstum

So schaffen es zum Beispiel einige Krebszellen sich schneller zu vermehren, als das Immunsystem diese zerstören kann. Resultat ist der Tumor wächst.

Tumor-Tarnung

Oder manche Krebszellen schaffen es Tarnungen aufzubauen, sodass das Immunsystem diese nicht mehr als solche erkennen kann. Die Krebszellen tarnen oder verstecken sich also vor dem Immunsystem. Ein Beispiel dafür wäre, dass die Tumorzell-Variante 1 das Tumor-Antigen auf der Zelloberfläche nicht mehr präsentiert. Sie tarnt sich gegen den Angreifer (Immunzellen) als gesunde Zelle. Ohne diese eindeutigen Erkennungsmerkmale, die eine Zelle als krank markieren, kann das Immunsystem nichts mehr gegen diese Tumorzellen ausrichten.

Tumor-Heterogenität

Der Kampf der Immunzellen gegen die Tumorzellen erzeugt einen hohen Selektionsdruck auf diesen. Das bedeutet die Umweltbedingungen für den Tumor haben sich zum negativen gewandelt. Der Tumor muss sich anpassen an die neuen Bedingungen, um den Kampf gegen das Immunsystem überleben zu können. Ein Tumor besteht fast nie nur aus einer einzigen Tumorzell-Variante und ihren identischen Nachkommen. Es kann sehr schnell unterschiedliche Tumorzell-Varianten in einem Tumor geben. Sie unterscheiden sich durch eine Vielzahl von unterschiedlichsten genetischen Mutationen. Sodass zu jedem Zeitpunkt eines Tumors, mehrere verschieden Tumorzell-Varianten in ihm vorliegen. Dies wird als Tumor-Heterogenität bezeichnet.

Das Bild zeigt beispielhaft die genomische Veraenderung in Tumoren über die Zeit und verdeutlicht damit den Begriff intratumorale Heterogenität.
Intratumorale Heterogenität

Aus einer Tumor-Zell-Variante kann sich ganz schnell auf Grund von auftretenden genetischen Mutationen weitere Tumor-Zell-Varianten entwickeln. Durch die Mutationen kann jede Tumor-Zell-Variante seine ganz eigenen Charakteristika aufweisen. Es kann also sein, dass jede Tumor-Zell-Variante auf einen ganz bestimmten äußeren Reiz (z.B. ein Medikament) ganz unterschiedlich reagiert. Diese mannigfachen Verhaltensmuster, die alleine in einem Tumor auftreten können, machen die Therapie so schwierig.

Durch mich abgeändert nach DOI: (10.1016/j.molcel.2015.10.031)

Jede Tumorzell-Variante unterscheidet sich genetisch ein wenig von den anderen. Diese Unterschiede wurden farblich in der obigen Abbildung dargestellt und in der Abbildung “Subklone im Tumor” noch einmal verdeutlich. Diese Unterschiede im Tumor können durch Sequenzierungen nachgewiesen werden. Durch Sequenzierung von Tumoren wurde auch ersichtlich, dass einige der Tumorzell-Varianten über die Zeit weitere Mutationen angesammelt haben und sich damit wiederum in eine neue Tumorzell-Variante entwickelt haben. Somit findet eine stetige Evolution dort im Tumor statt.

Die Anzahl der unterschiedlichen Tumorzell-Varianten kann stark variieren. Es gibt zwar Tumor-Arten, die eine Neigung dazu haben viele solcher Tumorzell-Varianten zu besitzen, da sie generell eine hohe Rate an DNA-Mutationen aufweisen. Das Maligne Melanom, also ein Art Hautkrebs, weißt zum Beispiel eine sehr hohe Rate von Mutationen auf. Deshalb sind die Tumore des Malignen Melanoms auch häufig aus vielen verschiedenen Tumorzell-Varianten zusammengesetzt. Aber generell kann man nicht vorhersagen, wie die Tumor-Heterogenität sein wird.

In unserem Beispiel der Abbildung der Immunüberwachung ist das Immunsystem in der Lage die Tumorzell-Variante 1 zu erkennen und zu eliminieren. Die Tumorzell-Varianten 2&3 haben jedoch dieses Tumor-Antigen gar nicht mehr und werden deshalb nicht von den Immunzellen attackiert. Das heißt diese beiden Varianten haben sich über Zell-Veränderungen einen Vorteil im Kampf um das Überleben verschafft. Während die Tumorzell-Variante 1 beseitigt wird, können die beiden anderen Varianten nahezu ungestört weiterwachsen.

Die Abbildung stellt die Ansammlung an Tumor-Zell Sub-Klonen über die Zeit dar. Aus einer normalen Zelle entwickelt sich eine Tumor-Zelle und diese sammelt Mutationen an wodurch es zu verschiedenartigen Sub-Klonen der einen Tumorzelle kommt. Diese führt unter anderem zur sogenannten intratumoralen Heterogenität.
Sub-Klone im Tumor

A = Gesunde Ausgangszelle; B = Erste Mutationen; C = Weitere Mutationen; D = Tumorzell-Variante 1; E, F, G, H, I & J stammen von der Tumorzell-Variante 1 ab, haben sich aber über weiter Mutationen zu neuen andersartigen Tumorzell-Varianten entwickelt. Die unterschiedlichen Farben symbolisieren die zu unterscheidenden Tumorzell-Varianten.

Immunsystem Täuschungen

Ebenfalls kann es sein, dass Krebszellen beginnen Signalstoffe zu produzieren, die die Anti-Tumor-Aktivität des Immunsystem runter regulieren oder gar ganz hemmen. Demnach beginnen einige Krebszellen zu lernen, wie sie in die Kommunikationswege der Immunzellen eingreifen können, um Fehl-Informationen zu streuen. Oder sie erlernen, die Kommunikation zwischen den Immunzellen zu stören. So sind sie in der Lage die Aufmerksamkeit der Immunzellen weg von den Tumorzellen zu lenken.

Alle genannten Strategien sind allerdings nur einige der möglichen Strategien. Viele der Strategien sind noch nicht bekannt oder geklärt, weswegen massiv in diesem Bereich geforscht wird. Diese Ausweichstrategien der Tumore sind so erfolgreich, dass das Immunsystem letztendlich keine Chance mehr hat das Gleichgewicht zwischen dem Tumorwachstum und der Eliminierung der Krebszellen wiederherzustellen. Ohne jegliche Therapie ist dann meist der Kampf gegen das schnelle und ungezügelte Krebswachstum verloren.

Hier können dann Krebs-Therapien helfen, den Tumor zu bekämpfen. Die Krebs-Immuntherapien sind von allen Therapien relativ neue Therapie-Formen, die das Immunsystem des Patienten mit nutzen, um den Tumor zu besiegen. Im folgenden Menü kannst du weitere Aspekte der Krebs-Immuntherapien, die dich interessieren, auswählen.